KONZEPT

GEDANKEN ZU MEINEN BILDERN

Das Draußensein ist ein tägliches Bedürfnis für mich. Es klingt banal und bedeutet mir doch so viel: mich fasziniert die Schönheit der Natur und ich suche sie auf, so oft ich kann. Ich durchstreife sie und lasse meinen Sehsinn schweifen. Meine Blicke in die Ferne oder aufs Detail sammle ich mit dem Fotoapparat ein und nehme sie mit „nach Hause“. Am Bildschirm sehe ich, was mich nachhaltig anrührt, um sie für meine Bilderwelt weiter zu verarbeiten.

Wenn ich draußen bin, suche ich kein spezielles Motiv, sondern lasse mich treiben und greife heraus, was mich bewegt. Das können die Schönheit von Wildwuchs, geometrisiertes Kulturland, Lichtsituationen, Wetter oder der Nahblick auf landschaftstypische Strukturen sein.
Egal, in welche Landschaft ich eintauche, ich werde immer fündig, ob in Gebirgsformationen und Küstenregionen oder im näheren Umfeld hier in Rheinhessen.

An einigen Titeln meiner Holzschnitte lässt sich ablesen, dass ich bestimmte Landschaften als Landschaftsporträt festgehalten habe (z.B. Val Mora, Hohes Venn, Schreckhorn…), in anderen Titeln finden sich ganz allgemein Bezeichnungen von Landschaftsphänomenen, wie Sumpf, Welle, Waldsaum…, die ich als eine Art Stellvertreter von typischen Naturformen verstehe. In beiden Fällen geht es mir um meinen persönlichen Zugang, den bleibenden Eindruck, den genau dieser Naturausschnitt mit seiner ihm eigenen Wesenhaftigkeit und Stimmung in mir hinterlässt.

Bei meinen Gängen nach draußen fällt mir natürlich auch ins Auge, dass Umweltprobleme und Klimawandel aller Orten ihre Spuren hinterlassen. Ich begrüße sehr, dass es etliche Verteter*innen der Landschaftskunst in ihren Kunstwerken den Finger genau in diese Wunde von Naturzerstörung und Naturgefährdung legen. Ich hingegen spüre ich in meinem Weg der Landschaftsdarstellung meiner Motivation nach, den Blick des Betrachters für die arkadische Schönheit und das Erhaltenswerte der Natur zu gewinnen.

HOLZSCHNITT

Die Ästhetik des Holzschnitts zieht mich magisch an. Der Holzschnitt ist mit seinen exakten Formen und genauen Kanten in meinen Augen eine künstlerische Technik mit einem selbstbewussten Statement, ein Ja-Nein, eine Entscheidung fürs Wesentliche.

Der Prozess vom gesehenen Motiv zum fertigen Holzschnitt erfordert in mehreren Schritten ein gestaltendes Lenken und Eingreifen hin zum Wesentlichen der Ursprungsidee.
Die Reduktion von Naturformen auf ihre typischen Kennzeichen ist ein reizvoller Prozess für mich. Das Medium Holzschnitt bringt dabei stets seine eigenen Gesetze ins Spiel. Manche Naturphänomene widersetzen sich der Technik, wenn sie durch viele Details oder feine Helligkeitsabstufungen holzschnittfremde Bedingungen stellen.

Häufig bietet mir die Natur jedoch selbst einen „fertigen“ Holzschnitt an, wenn durch passende Lichtverhältnisse wie Spiegelungen, Silhouetten oder Gegenlicht Landschafts- ausschnitte vor meinen Augen auftauchen, die auf natürliche Art holzschnittähnliche Bedingungen aufweisen.

Ich verfolge in meinen Motiven meist die Naturtreue. Ich möchte auch im fertigen Druck Stein, Borke oder Gras erkennen, wenn sie Teil der originalen Szenerie waren. Wobei der Grenzbereich zwischen hohem Naturalismus und dem stark Abstrahierten eine spannende Herausforderung für mich ist. Das Auge des Betrachters sieht im Landschaftlich-Abstrahierten immer wieder auch den Keim des naturgetreuen Abbilds und gibt seine eigene Interpretation dazu. Landschaftliche Naturformen ähneln sich häufig, auch wenn sie aus verschiedener Stofflichkeit bestehen. Wolkenformationen können beispielsweise in anderem Zusammenhang die Anmutung von Buschreihen, Ackerfurchen die von Meeresoberflächen oder Gesteinsschichten die von Bodenstrukturen besitzen.

Ich habe bei diesem Spiel mit dem mich begeisternden Möglichkeiten des naturalistischen Holzschnitts auch neue Wege zur Steigerung des Naturalismus mit Hilfe moderner Lasergravur beschritten.

HOLZSCHNITT UND MALEREI

Nach den ersten Andrucken und dem korrigierenden Nachschnitzen der Druckplatte setzt
der eigentliche Bildentstehungsprozess ein.
Ich mag das Experiment und die Möglichkeit zur Variation, um damit das Potential eines Druckstocks formal und inhaltlich auszureizen. Das Bildmotiv als vervielfältigbarer Druckstock schafft in mir die nötige Leichtigkeit, bei der Bildentstehung die Last des sofortigen Gelingenmüssens nicht aufkommen zu lassen. Malerei und verschiedenste Mischtechniken wie Klecks-, Abspreng,-, Auswasch-, Wachs- und Collagetechniken bringe ich in Kombination mit dem Holzschnitt. Ich versuche mich in dem Prozess von Zufall, gelenktem Zufall und bewussten Entscheidungen gestalterisch treiben zu lassen. Auf diese Weise entsteht bei einem Motiv wie von selbst die Serie aus immer neuen Bildkombinationen und Bildwirkungen.

Die Physik der Farbe im Experiment weist häufig Analogien zu natürlichen Vorgängen in der Landschaft auf. Beispielsweise erkennt man in fließender Farbe Auswaschungsprozesse, wie sie in der Natur vorkommen können. Die Abstoßung unterschiedlicher Farben kann die Anmutung von landschaftlichen Strukturen aufkommen lassen.

Die Malerei als Begleitung zum Holzschnitt heißt für mich, eigenständige, teils impulsive, teils stille homogene Farbflächen zur Ausdrucksteigerung dem Druck zur Seite zu stellen. Dies
ermöglicht mir die Schaffung unterschiedlicher Wirkungen, die in dem jeweiligen Motiv angelegt sind, die aber auch über die Ursprungsidee hinausgehen und sie steigern können. Hier wird der fertige Holzschnitt für mich ein Spiegelbild innerer Stimmungen, wie ich sie draußen erlebe, seien es Romantik, Stille, Behaglichkeit, Erhabenheit, Unberührtheit…, aber auch Rätselhaftigkeit, Wildheit, Unwirtlichkeit, Bedrohlichkeit….

Bei den Mal- und Druckexperimenten entsteht zu jedem Motiv eine Bilderreihe, von der jedes Einzelwerk ein Unikat darstellt. Der Auflagendruck von immer gleichen Ergebnissen ist nur selten mein Anliegen.

KOMPOSITLANDSCHAFT

Auf der Suche nach „meiner“ Landschaft kann ich mich nie satt sehen an dem reichen ästhetischen Angebot an Formen, Farben und Strukturen in der Landschaft. Das Angebot scheint unbezwingbar und je mehr ich sehe, desto mehr erwächst in mir der Drang nach einer Systematisierung, um der reichen Möglichkeiten habhaft zu werden. Der genaue Ort tritt immer mehr in den Hintergrund, während ich das Gesehene in Landschaftseinzelteile und in immer wiederkehrende Gesetzmäßigkeiten sortiere.

Denke ich beispielsweise an einen See, „sehe“ ich die Komponenten Wasserfläche, Transparenz des Wassers, Ufer, Spiegelungen, Steine und Bäume. Landschaftsteile wie Bäume und Steine aus der Seelandschaft können in einem anderen Kontext Anteil einer Vordergrundlandschaft im Gebirge sein. Der Grasbüschel aus dem Hohen Venn bildet im nächsten Bild vielleicht das Dickicht vor einem Wald. Es entstehen Kompositlandschaften, deren Komponenten sich von realen Orten ableiten lassen, in Wirklichkeit aber nach meiner Vorstellung neu zusammengesetzte Landschaftskompositionen darstellen.

Schon immer fand ich die Arbeitsweise von C.D. Friedrich faszinierend, der in einem ähnlichen Komposit-Verfahren Landschaftsbilder entstehen ließ. Er verstand seine ursprünglichen Landschaftsskizzen als eine Art Ideenfundus für seine Landschaftserfindungen. Er enthob seine Skizzen ihrer örtlichen und zeitlichen Entstehung, veränderte nach Belieben Größenverhältnisse, Proportionen oder auch die Spiegelrichtigkeit der Motive und setzte die Einzelskizzen zu neuen Landschaftskompositionen zusammen.

Seit Jahren lege ich mir eine Art Holzschnittkartei an, in der mir nicht nur ganze Landschaftsansichten, sondern auch typische Landschaftskategorien, wie Baumgruppen, Felder, Wasseroberflächen, Einzelbäume, Himmel, Wolken…in einer Art Stellvertreterfunktion zur freien Komposition zur Verfügung stehen.

Auf meinen Naturgängen getrennt erfasste Motive oder Landschaftseinzelteile bilden den Fundus meiner Arbeit. So wird meine Holzschnitt-Kartei stetig umfassender und bildet die Grundlage meinen inneren Landschafts-Kosmos aus Einzelfragmenten immer wieder neu zusammenzusetzen.